Das Geheimnis der Marmorengel

Geschrieben von Marie

Prolog

Ich war 13 Jahre alt, als mein Vater Oberon mich mal wieder zu dem Friedhof meiner Mutter mitnahm. Meine Mutter war schon lange tot und wir waren sehr traurig, als sie gestorben war. Jetzt liegt sie im Friedhof “Am Himmel" in einem Grab, mit einem
Marmorengel und singt fröhlich das Lied des Todes und des Lebens. Aber jetzt wieder zurück zur richtigen Geschichte, wo alles seinen Anfang nahm...

Kapitel 1

Es war ein grauer Sonntagmorgen, als Dad, der lesen liebte, zu mir sagte: “Titania, es wird Zeit, mal wieder deine Mutter besuchen zu gehen.”
“Aber Dad... Bei diesem Wetter ist das nicht schön. Ich will lieber hierbleiben und lesen!”, erwiderte ich.
“Ich möchte dir aber etwas zeigen, was nur heute geht. Aber wenn du nicht willst, dann halt nicht...”
Das war so fies von ihm! Dad wusste, dass ich sehr neugierig war und jetzt hatte er mich. Also zog ich meine Schuhe und Jacke an, schlang mein Frühstück herunter und lief mit Dad raus, der aber erst einen Regenschirm nahm. Der Friedhof, auf dem meine
Mutter lag, war zum Glück nur wenige Kilometer entfernt, und da wir nicht genug Geld hatten, um uns ein Auto zu kaufen, war das ideal. Also gingen wir los. Auf dem Weg im Dunkelwald, der ganz aus dunklen Fichten bestand, sah ich aus den Augenwinkeln komische Kreaturen, die uns folgten. Aber immer, wenn ich mich umdrehte, sah ich... NICHTS!

Kapitel 2

Als wir wieder aus dem Dunkelwald hinauskamen, sah ich auch keine Kreaturen mehr, also dachte ich, dass mir meine Fantasie wieder einen Streich gespielt hatte. Ich hatte wohl zu viele Fantasy-Bücher gelesen. So weit, so gut. Jetzt kamen wir allerdings am Friedhof an und ich wurde richtig aufgeregt, um Dads Geheimnis zu entdecken, und ich schämte mich ein bisschen deswegen. Das hier war ein Friedhof, da müsste man eigentlich traurig sein, wenn man hindurchgeht, besonders wenn Familienmitglieder da liegen. Also beruhigte ich mich, und Dad führte mich durch die eiserne Eingangspforte und zu dem Grab meiner Mutter, wo der marmorne Engel thronte.

Kapitel 3

Dad meinte: “Man braucht ein scharfes Auge, um die Codetafel zu entdecken und den Code zu entschlüsseln.”
“Haben deine scharfen Augen auch entdeckt, dass du gerade in einen Riesenhaufen Hundekacke getreten bist?”
“KACKE”, rief er aus.
“Genau das”, scherzte ich.
Dann machte Dad weiter. Die Codetafel war am Saum des Engelkleides. Obendrüber stand in geschnörkelten Buchstaben das Rätsel:
Die Antwort ist nah, und doch so weit, der große Engel schweigt im Tod, doch nicht, wenn du erwachst ihn dort.
“Pass jetzt gut auf! Der nächste Teil wird sehr wichtig. Also... Die Antwort ist nah... Der Grabstein deiner Mutter. Es ist eine Codetafel mit Zahlen, also muss es auf dem Grabstein von Hermia Zahlen geben. Natürlich 1979-2012. Das ist der Code. Wir geben ihn ein und...Zack!”
Eine kleine Tür im Bauch des Engels öffnete sich. Es war wieder eine Codetafel, diesmal jedoch mit Buchstaben anstelle von Zahlen. Dad gab “Hermia-Alohomora” ein und eine Stimme, die ich sehr gut kannte, fing an zu reden. Ich fing fast an zu weinen.
Mutters Stimme fragte: “Wer ist da?”
“Ich bin es, dein Mann Oberon und deine geliebte Tochter Titania.”
“Titania ist dabei?”
Die Stimme wurde brüchig.
“Tretet ein.”

Kapitel 4

Eine Tür tat sich in der Erde auf und wir traten auf die Treppe, die ins Innere führte. Als wir unten ankamen, war das Erste, was ich sah, viele Grabsteine, aber welche mit komischen Inschriften wie zum Beispiel “Miss Grün Schreibfeder”. Wie ich sagte, komisch!
Auf einmal sah ich eine Gestalt auf mich zukommen. Mir stockte der Atem, als ich sie sah. Es war meine Mutter!
Ich rannte auf sie zu, um sie zu umarmen. Und ich rannte komplett durch sie hindurch! Diesmal fing ich richtig an zu weinen, als ich sah, dass meine Mum Engelsflügel hatte und leicht durchscheinend war. Meine “Mutter” kam zu mir geeilt, um mich zu trösten.
“Aber Schätzelchen, sei nicht traurig! Ich habe auch eine Überraschung für dich.”
Sie führte mich zu einem anderen Grab, wo draufstand: “Mister Schwarz Schreibfeder”.
An diesem Grab stand auch ein Marmorengel...

Kapitel 5

So fing das Ganze wieder von vorne an. Doch diesmal musste mein Vater an einem Blumenstrauß drehen. Sonst war alles wie letztes Mal. Es tat sich wieder ein Tunnel auf und es erschien wie aus dem Nichts ein Schild, wo draufstand: "Friedhof der vergessenen Bücher, 30 m."
Ich meinte zu Dad: “Das ist gruselig! Ich habe da irgendetwas gesehen, wie Monsteraugen”.
Das letzte Wort flüsterte ich nur noch.
“Kind, da unten ist nichts. Da bin ich mir sicher. Sonst hätte ich dich nicht mitgenommen!”
“Ok”, meinte ich, nicht ganz überzeugt.
Wir gingen durch den Tunnel und kamen auf dem Friedhof der vergessenen Bücher an. Es war mucksmäuschenstill. Ich sah schon wieder diese gruseligen Augen. Insgesamt war es sehr schauderhaft...

Kapitel 6

Auf einmal tauchte eine geisterhafte Gestalt auf, die tatsächlich ein Geist war. Er hatte ein silbernes Messer in der Hand, das irgendwie blau glühte. Er stürmte auf meine Mutter zu und stieß ihr das Messer in den Bauch. Ich sollte eigentlich nicht traurig
sein, denn Mum war ja schon tot, doch ich hatte sie gerade erst ein bisschen zurückbekommen, und dann wurde sie vor meinen Augen wieder ermordet. Ich fing an verzweifelt zu schluchzen und Dad nahm mich in den Arm und hielt mir die Augen zu. Der Geist hauchte mit rasselnder Stimme: “Wenn ihr es schafft, die vergessenen Bücher zu retten, bekommt ihr sie zurück. Es wird nicht leicht werden an die Bücher zu kommen, und ihr müsst verschiedene Aufgaben erfüllen und Rätsel lösen. Schafft ihr es nicht geht es für euch nicht so gut aus wie für mich. Deshalb müsst ihr allerdings diesen Handel mit mir eingehen. Und ihr wisst, ohne deine Mutter, kommt ihr hier nie wieder raus... Muahahahaha.”
“Bekommen wir sie auch im richtigen Leben wieder zurück? Wenn ja, tun wir es”, erwiderte ich.
“NEIN! Tu das nicht! Denn wenn wir es nicht hinbekommen, tötet er uns alle und dann können wir Hermia erst im Himmel wiedersehen, oder auch nicht. Denn ich weiß nicht, was mit Asche passiert, wenn man zu Asche wird...” rief mein Dad entsetzt.
“Ich muss es tun! Auch wenn es Konsequenzen hat.”
“Ok”, seufzte Dad. Also habe ich dem Geist die Hand darauf gegeben und er ist verschwunden.

Kapitel 7

Jetzt erst fiel mir auf, wie dumm ich gewesen war. Wir hatten absolut keine Ahnung, was wir jetzt machen sollten.
“Sch****”, fluchte ich, “was habe ich nur getan?!”
“Ich habe versucht es dir auszureden”, antwortete Dad etwas genervt und verängstigt.
Auf einmal schlich eine Gestalt aus den Schatten. Doch im Gegensatz zu der anderen, sah diese nett aus. Ich hatte die Bücherreihe “Harry Potter” bestimmt hundertmal gelesen und diese Kreatur sah genauso aus, wie ich mir Dobby, den Hauself vorstellte. Zu meiner Verwunderung sprach er mich an.
“Hallo, ich bin Dobby, der Hauself. Was kann ich für euch tun? Ihr seht traurig aus.”
Ich machte mir fast in die Hose, so erstaunt war ich.
“Ehh, ja? Dobby, wir brauchen einen Tipp, wie wir die Bücher retten sollen...”, stotterte ich.
Er unterbrach mich: “Schon ok, ich habe ein Rätsel für euch. Es lautet: Den Satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsch müsst ihr suchen. Ihr findet ihn, ihr löst das Rätsel, und weiter geht’s zum nächsten Trubel... Das war mein Rätsel. Und
Tschüss!”
Er verschwand. Ich sah mich zu Dad um.
“Hast du irgendetwas kapiert?! Ich nämlich überhaupt nichts”
“Weißt du, Schatz, man kann die Bücher hier auch lesen, und ich schätze, dass es irgendein Buch gibt, das “Der Satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch” heißt.”
Also machten wir uns ans Suchen. Wir lasen auf jedem einzelnem Grab die Aufschrift, um das Buch mit dem megakomplizierten Namen, den ich immer noch nicht aussprechen konnte, zu finden. Als wir endlich das komische Buch fanden, öffneten wir es, und eine Sekunde später standen wir in einem Raum, der so groß war, dass ein Drache sich darin locker ausbreiten konnte.

Kapitel 8

Mit Schrecken erkannten wir, dass es tatsächlich ein waschechter Drache war, der in der Halle lag. Eine mysteriöse Stimme erklang aus dem Nichts: “Rettet das Gold aus den Drachenfängen, es wird euch helfen, das nächste Monster zu bedrängen.”
“Immer diese blöden Stimmen! Nächstes Mal mach ich mir wirklich in die Hose!”
“Das ist kein Scherz, Titania, es ist Wirklichkeit und wir müssen uns jetzt richtig anstrengen, um unseren Hintern noch zu retten!”
“Wenn man genug Mut hat, kann man alles zu einem Scherz machen, wenn man es nur will.”
Dad erwiderte nichts. Er seufzte nur. Dann machten wir uns daran, dem Drachen das Gold zu klauen. Ich kam von links, und Dad von rechts. Doch der Drache bemerkte uns und hielt uns auf Distanz. Das war unser erster Versuch, der leider scheiterte. Im zweiten Versuch probierten wir es, indem Dad den Drachen mit einem wackeligen Bauchtanz ablenkte, und ich flink unter den Bauch des Drachen rutschte und mir das Stück Gold nahm. So schnell wie wir konnten rannten wir zur Tür, die wie aus dem
Nichts erschienen war. Das war keine Sekunde zu früh, denn der Drache stieß ein dröhnendes Brüllen aus und stürmte auf unsere Tür zu, die in letzter Sekunde vor seiner dicken Schnauze zuknallte.

Kapitel 9

Puhh, das war knapp. Als wir uns gerade ausruhen wollten, roch ich irgendetwas Schimmeliges. Ich hob den Blick und starrte in die blutunterlaufenen Glupschaugen eines Hydes. Ich schrie vor Schreck laut auf und mein Vater kippte ohnmächtig nach hinten um. Ich hatte ja die Serie "Wednesday" geschaut, aber dass Hydes so schrecklich aussehen konnten, hätte ich trotzdem nicht gedacht. Die Stimme aus dem letzten Raum hatte ja gesagt, dass das Gold mir helfen würde, dieses Monster zu bezwingen. Ich dachte angestrengt nach und sah mich im Raum um. Im Schatten entdeckte ich eine steinerne Statue, die ein Buch in der Hand hielt. Ich warf das Gold im hohen Bogen auf die andere Seite des Raumes. Die Augen des Hydes wurden noch größer und er rannte wie hypnotisiert zu dem Gold. Ich nutzte den Moment, um zur Statue zu rennen und die Inschrift auf dem Buch zu lesen.
Dort stand: "Drück mir auf die Nase, wenn du dich traust, dann enthüllt sich die Treppe daraus."
Gesagt, getan, und mit einem lauten Knirschen entblößte sich eine alte verstaubte Treppe. Ich wollte schon die erste Stufe betreten, da erinnerte ich mich an meinen ohnmächtigen Vater. Ich lief zu meinem Vater hinüber und rüttelte ihn wach, und zusammen torkelten wir zum Anfang der Treppe zurück. Plötzlich sprang der Hyde mit einem Satz auf uns zu. Sein Gold war ihm zu langweilig geworden und er hatte sichtlich Hunger. Wir stürzten vor Schreck die Treppe herunter und der Hyde wollte uns folgen, doch zum Glück blieb er mit seinem breiten Kopf oben im Treppeneingang stecken. Wir klopften uns den Staub von den Klamotten. Um uns herum standen lauter riesige Bücherregale mit Büchern, die in Vergessenheit geraten waren. Mir fiel auf, dass mir die Titel der Bücher irgendwie bekannt vorkamen. Ja, das waren ja die Namen, die ich im Friedhof der vergessenen Bücher auf den Grabsteinen gelesen hatte. Ich fragte Dad: “Was sollen wir jetzt tun, die Bücher lesen etwa?”
Er antwortete: “Ja, gute Idee! Wenn man Bücher liest, dann erwachen sie wieder zum Leben.”
Also setzten wir uns auf den kalten Boden und lasen.
Nach einiger Zeit sahen wir wie die Magie wirkte. Lauter leuchtende Seelen der Bücher schwebten wieder zu ihren Besitzern zurück, und man sah die Veränderung. Die Bücher waren nicht mehr staubig, sondern glänzten voller neuer Lebensfreude.
“Wir haben es geschafft!”, rief ich.
Der fiese Geist der meine Mutter erstochen hatte, erschien plötzlich vor uns, und grummelte erstaunt: “Da ihr es geschafft habt, werde ich meinen Teil der Abmachung jetzt erfüllen”.
Er rief seine Dämonen aus der Unterwelt zu sich die eine zeternde Gestalt trugen. Meine Mutter, nur diesmal in Fleisch und Blut. Mein Vater und ich waren überglücklich, dass wir meine Mutter zurückbekommen hatten.
Dad lachte: ”Und ich wollte dir eigentlich nur mein Geheimnis zeigen, dass Mutter nicht nur in unseren Herzen weiterlebt, sondern auch als Engel!”

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