Die große Drachensuche
Lung ist der einsamste Drache der Welt. Und vielleicht auch der letzte? Ben und Lisa helfen ihm hinaus aus seinem grauen Stadtversteck hinauf auf das "Dach der Welt". Es muss doch noch andere Drachen geben. Es muss!
Ben und Lisa trauen ihren Augen nicht, als sie in einer verlassenen Fabrik plötzlich vor einem Drachen stehen. Lung ist kein gefährlicher Drache, und so schließen sie schnell Freundschaft. Trotzdem ist Lung einsam und hat nur einen Wunsch: andere Drachen zu finden. Ben und Lisa wollen ihrem Freund helfen, und gemeinsam machen sie sich auf die abenteuerliche Reise zum "Dach der Welt".
- Erstmals erschienen 1988
- Lesealter Ab 10 Jahren
- Illustriert von Cornelia Funke
- Verlag Arena
In jeder Stadt gibt es schöne und reiche Straßen und hässlichere, düstere, wo die Häuser sehr eng stehen und zwischen Steinen und Beton nicht allzu viel wächst. In so einer Straße beginnt diese Geschichte, denn in so einer Straße liegt die alte Fabrik, in der das Ganze seinen Anfang nahm.
Es ist eine sehr alte Fabrik, in der schon lange niemand mehr arbeitet. Ganz still liegt sie da. Es regnet durchs Dach. Die Fenster sind fast alle zerbrochen. Die Türen hängen schief in den Angeln und quietschen schauerlich, wenn der Wind sie bewegt. Die einzigen Bewohner sind ein paar Ratten und Mäuse. Und unter den zersprungenen Platten des Fabrikhofes haben sich ein paar Kaninchen niedergelassen. Auch der Kanal, der hinter dem alten Gebäude fließt, ist nicht bemerkenswert, sondern nur sehr dreckig. Boote oder gar Lastkähne sind hier schon lange nicht mehr vorbeigefahren. Wegen des Schmutzes und Gestankes trauen sich nicht einmal die wagemutigsten Enten hierher. Wo ist da die Geschichte?
Vor ein paar Jahren lebte in der Fabrik noch jemand anderes. Nicht oben, wo die Sonne durch die zerbrochenen Scheiben scheint und der Wind durch die Türen pfeift, sondern tief unten in den Gewölben und Kellern des alten Gebäudes, wo man sicher ist vor neugierigen Augen. Nur ein paar Holztreppen führen dort hinunter, die bei jedem Schritt ächzen und knarren. Es gibt noch einen anderen Zugang, eine alte Ladeluke knapp über der schmutzigen Brühe des Kanals. Aber wer soll da schon durchkommen?
So wohnte der heimliche Gast der alten Fabrik sicher und verborgen in ihren dunklen Gewölben. Erst wenn der Himmel ganz schwarz war und nur noch ganz selten ein Auto die Straße entlangfuhr, traute er sich heraus. Dann glitt ein dunkler Schatten aus der Luke ins schwarze Wasser des Kanals und schlängelte sich davon. Und kurz bevor die Sonne ihre Strahlen über die Mauern streckte, verschwand er wieder in der Luke — ein großer, schlanker, schwarzer Schatten. Wenn dann die Sonne morgens aufging, lag er drinnen auf dem feuchten, kalten Fußboden und starrte mit goldgelben Augen durch die Luke hinaus — der letzte Drache weit und breit. Vielleicht der letzte Drache der Welt?